Das Buch Hiob ist reine Dichtung wie das Buch Jona. Mit diesem hat es die universalistische, über Israel-Juda hinausweisende Tendenz. Denn die Geschichte spielt im Lande Uz, dessen Lage unbestimmt bleibt. Wie das Buch Jona, das den Namen eines Propheten, von dem wir sonst nichts weiter wissen, greift das Buch Hiob auch den Namen eines Mannes der Vorzeit auf, der Hes 14,14 als ein Gerechter neben Noah und Daniel erwähnt wird, ohne daß Näheres über seine Person mitgeteilt wird.
Die Forschung ist sich darüber einig, daß das Werk nicht auf einmal entstanden, sondern das Ergebnis eines Wachstumsprozesses ist. Über das Alter und die Abgrenzung der einzelnen Teile gehen die Meinungen allerdings auseinander. Ludger Schwienhorst-Schönberger nimmt – in Zengers Einleitung – folgende Entwicklung an: das Älteste ist die Rahmenerzählung Kapitel 1-2, allerdings ohne die beiden Szenen im Himmel (1,6-12; 2,1-7) und Kapitel 42,7-17. Da habe ich allerdings meine Bedenken. Denn 42,7 setzt eine Gottesrede voraus, welche in diesem angenommenen Grundbestand fehlt. Dieser Kern erzählt jedenfalls von Hiobs Gerechtigkeit und seinem Unglück, das ihn aber nicht von seiner Gottesfurcht weichen läßt, so daß Gott ihn segnet und seinen Wohlstand wiederherstellt. Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Grundbestand noch vorexilisch ist, wahrscheinlicher aber nach dem Exil geschrieben wurde.
Die schlichte Gottergebenheit im Leid wird durch Hiobs Klage, die sich bis zur Anklage Gottes steigert und die Einfügung der Gesprächsgänge mit den drei Freunden Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama problematisiert. Diese drei Männer sind Sprecher der traditionellen Weisheit und bringen deren Begründungen für das Leid vor: Leid als Folge der Sünde, Leid als Teil der menschlichen Kreatürlichkeit, Leid als göttliches Erziehungsmittel, Leid als Prüfung. Doch all das erreicht Hiob nicht und wird am Ende von Gott selbst verworfen (42,7). Die Klage wird vielmehr als berechtigt anerkannt, zugleich aber in den Kapiteln 38-40 die Unergründlichkeit von Gottes Willen in den Gottesreden ausgedrückt. Der Mensch ist zu klein, um mit Gott rechten zu können, aber die Schöpfung ist von Gott wohlgeordnet, ohne daß der Mensch sich ein Urteil anmaßen kann.
Ob die Himmelsszenen mit dem Satan im Zusammenhang mit den Reden der drei Freunde hinzugefügt wurden oder zu einem andern Zeitpunkt, läßt sich nicht sagen. Sekundär gegenüber den Reden der drei Freunde sind auf alle Fälle die Reden Elihus Kapitel 32 bis 37. Sie stammen von einem andern Autor, der mit der Lösung, die das ihm vorliegende Hiobbuch bot, nicht einverstanden war. Im Übrigen zeigen die Einzelheiten in den Reden der drei Freunde, daß da Eingriffe vorgenommen worden sind.
Jedenfalls haben wir es mit einer Kritik an der traditionellen Weisheitslehre, wie man sie im Buch der Sprüche findet, zu tun. Da wir es mit einem längeren Wachstumsprozess des Buches Hiob zu tun haben, kann man nur ganz allgemein sagen, daß das Werk nachexilisch ist. Es kann sein, daß sein Werden erst im 2. Jahrhundert v. Chr. seinen Abschluss gefunden hat.