Der Brief an die Kolosser wird vereinzelt noch für Paulinisch gehalten. Dagegen spricht aber manches in seiner inhaltlichen Gedankenführung. Auch dürfte der wirkliche, uns unbekannte Verfasser ihn nicht nach Kolossae gesandt haben. Denn diese Stadt ist im Jahre 62 durch ein Erdbeben zerstört und erst viel später wieder aufgebaut worden. Also ist auch die Adresse fingiert. Es geht vielmehr um ein an alle erreichbaren Gemeinden gerichtetes Lehrschreiben, das vor einer sich verbreitenden Irrlehre warnt.
Lange Zeit schien festzustehen, daß es sich dabei um die Gnosis handelte. Doch genauere Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten haben Zweifel daran aufkommen lassen. Erkennbar ist, daß in dieser Irrlehre die Verehrung von Engeln, d.h. Mächten der Natur und des Schicksals neben Christus eine Rolle gespielt hat (Kap.2,8. 18. 20), demgegenüber der Verfasser die kosmische Macht des Christus betont (1,15-23; 2,9), eine Macht auf Grund seines Sterbens am Kreuz für die Menschen (2,14f.). Die Erwartung von Weltende und Endheil kommt dabei kaum zur Sprache. Dabei kommen Gedanken zutage, die Paulus selbst so nicht äußern würde. So entsteht die Frage, ob der Verfasser ein echter Schüler des Apostels gewesen ist oder ob er sich selber nur für einen solchen hält und deshalb unter dem Namen des Paulus schreibt.