Einleitung
Maleachi (ykalm) heißt „mein Bote” oder „mein Engel”. Wahrscheinlich ist das nicht der Name einer Person[01], in diesem Falle der des Propheten, sondern die Angabe des Themas der Schrift, veranlasst durch 3,1. Noch nicht entschieden ist die Frage, ob diese Schrift der Niederschlag von mündlicher Verkündigung ist, oder ob wir es mit einer rein literarischen Prophetie zu tun haben.
Erich Zenger[02] sieht die Schrift gegliedert in sechs Diskussionsworte(1,2- 5; 1,6 – 2,9; 2,10 – 16; 2,17 – 3,5; 3,6 – 12; 3,13 – 21) und zwei Epiloge ( 3,22; 3,23 – 24). In den Diskussionsworten geht es um eine Kritik an der Nachlässigkeit, mit welcher der Kult vollzogen und Lehre wie Weisung von der Priestern erteilt werden, und um die sozialen Reibungen der nachexilischen Zeit. In der Frage der Heirat mit nichtjüdischen Frauen (2,10 – 16) bezieht Maleachi eine mildere Position als die radikale Entscheidung Esr 10,1 – 17 ?[03] 2,12 ist eigentlich radikal genug. Wenn er sich aber nur auf jetzt noch zu schließende Ehen bezieht und Vers 14 bis 16 an bestehende Ehen mit nichtjüdischen Frauen zu denken ist, dann ist Maleachis Stellungnahme tatsächlich milder. Mit alledem ist jedenfalls klar, dass wir es mit einer spät nachexilischen Schrift zu tun haben. Denn der Tempelkult ist wieder im Gange, und zwar so gewohnt, dass Nachlässigkeiten eingerissen sind, was auf eine längere Dauer des Kultes hinweist. Die sozialen Konflikte, besonders zwischen heimgekehrten Exulanten und denen, die selbst oder deren Eltern und Großeltern im Lande geblieben sind, spielen nicht nur Neh 5 und 13 eine Rolle, sondern waren auch der Anlass für eine Sozialgesetzgebung innerhalb der Thora, die jetzt weiter gestaltet und redigiert wird. Alle diese Beobachtungen führen in das 5. Jahrhundert als Abfassungszeit.
Immer wieder werden bei den bestimmten Anlässen Gericht (2,2 – 3. 12; 3,2 – 3. 5. 19. 23) und Heil (3, 12. 16. 20) angekündigt. Bemerkenswert ist aber, dass gleich zu Anfang (1,1 – 5) das Gericht über Edom angekündigt wird. Eine schriftgelehrte Erweiterung liegt in 3,1b bis 5 vor. Da ist nicht mehr von einem eigentlichen (Straf-) Gericht die Rede, sondern von einem Läuterungsvorgang. Auch der erste Epilog 3,22 ist eine schriftgelehrte Ergänzung, in der sich die Theologie der Priesterschrift ankündigt. Da ist der Hinweis auf den Horeb als Berg der Gesetzgebung, wie am Schluss des Dt (34,5) und am Anfang von Jos (1,1) ist von Mose als dem Sklaven Jahwes die Rede. Noch jünger ist der zweite Epilog 3,23 – 24. Sir 48,10 setzt den Vers 24 voraus. Der zweite Epilog muss also vor 190 geschrieben worden sein.
Übersetzung
Ausgangstext der Übersetzung ist die Biblia Hebraica Quinta, Band 13, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 2010
1. Kapitel
(1) Ausspruch eines Wortes Jahwes an Jisrael; durch Maleachis Hand.
(2) Ich liebe euch, spricht Jahwe, und ihr sagt: Warum liebst du uns?
Ist nicht Esau Jaaqobs Bruder?[04] Spruch Jahwes
Und ich habe Jaaqob geliebt. (3) Und Esau habe ich gehasst;
Und ich habe seine Berge zur Verwüstung gemacht, und seinen Besitz zur Wüste der Schakale[05].
(4) Denn Edom[06] sagt: Wir sind zerschlagen, und wir kehren um und bauen die Trümmer auf,
so spricht Jahwe der Heerscharen: Sie bauen auf, und ich reiße ein;
Und man wird sie nennen „Gebiet des Frevels”,
und „das Volk, das Jahwe für immer verwünscht hat”.
(5) Und eure Augen werden es sehen;
Und ihr werdet sagen: Groß ist Jahwe über Jisraels Gebiet.
(6) Ein Sohn ehrt den Vater, und ein Sklave seinen Herrn[07];
und wenn ich der Vater bin, wo ist meine Ehre; und wenn ich Herr bin, wo ist die Ehrfurcht vor mir?
Jahwe der Heerscharen sagt euch: Die Priester schätzen meinen Namen gering,
und ihr sprecht: Wieso schätzen wir deinen Namen gering?
(7) Ihr bringt auf meinem Altar unrein gemachte Speise dar, und ihr sprecht: Warum haben wir dich unrein gemacht?
Indem ihr sagt: Jahwes Tisch, haben wir den gering geachtet?
(8) Und wenn ihr Blindes darbringt zum Opfern[08], ist das denn schlimm?
Und wenn ihr Hinkendes und Krankes darbringt, ist das denn schlimm?
Bringt es doch deinem Staatskommissar[09]! Wird er an dir Gefallen haben oder dein Angesicht erheben[10]?,
Spricht Jahwe der Heerscharen.
(9) Und jetzt besänftigt doch das Angesicht Gottes[11], und er wird euch gnädig sein;
Ist dies aus eurer Hand, wird er dann vor euch das Angesicht erheben?
Spricht Jahwe der Heerscharen.
(10) Wer unter euch verschließt die Türen[12] und entzündet nicht vergebens meinen Altar?
An euch habe ich keinen Gefallen, spricht Jahwe der Heerscharen,
Speisopfer aus eurer Hand gefallen mir nicht[13].
(11)Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ist mein Name groß [14]unter den Völkern,
denn an jedem Ort wird geräuchert, meinem Namen dargebracht, und zwar reines Speisopfer;
denn mein Name ist groß unter den Völkern, spricht Jahwe der Heerscharen.
(12) Und ihr entweiht ihn;
indem ihr sprecht: Der Tisch des Herrn, der wird verunreinigt, und seine Speise achten wir gering,
(13) Und ihr sagt: Aus Mühsal ist es, und ihr bringt mich in Glut, spricht Jahwe der Heerscharen,
und ihr bringt Geraubtes und Lahmes und Krankes,
und das bringt ihr als Opfer;
und mir soll es aus eurer Hand gefallen.
(14) Verflucht ist, wer arglistig handelt und in dessen Herde ein Männliches ist, und er hat es gelobt[15] und opfert dem Herrn Verdorbenes;
denn ich bin ein großer König, spricht Jahwe der Heerscharen, und mein Name ist furchtbar unter deb Völkern
2. Kapitel
(1) Und jetzt, Priester, geht an euch dieser Befehl:
(2) Wenn ihr jetzt nicht hört, und wenn ihr jetzt nicht auf euer Herz legt, meinem Namen Ehre zu geben, spricht Jahwe der Heerscharen, dann sende ich unter euch den Fluch[16], und ich verfluche euren Segen; denn ihr habt es nicht auf das Herz gelegt.
(3) Sieh, ich schelte euch samt dem Samen, und ich werfe den Mageninhalt in euer Gesicht,
den Mageninhalt von euren Feiern;
und man trägt euch zu ihm.
(4) Und ihr sollt wissen, dass ich zu euch sende diesen Befehl;
dass dies mein Bund mit Levi ist, spricht Jahwe der Heerscharen
(5) Mein Bund mit ihm ist Leben und Friede,
ich gab sie ihm und[17] Ehrfurcht, und er fürchtete mich;
und vor meinem Namen ist er zerbrochen.
(6) Das Gesetz der Treue[18] war in seinem Munde, und Übles wurde in seinen Lippen nicht gefunden;
in Frieden und Geradheit wandelte er mit mir, und viele ließ er umkehren vom Frevel.
(7) Denn die Lippen eines Priesters sollen die Erkenntnis bewahren, und das Gesetz soll man aus seinem Munde suchen[19];
denn er ist ein Bote von Jahwe der Heerscharen[20].
(8) Und ihr seid vom Wege abgewichen, ihr habt viele am Gesetz zum Straucheln gebracht;
ihr habt den Bund Levis verdorben, spricht Jahwe der Heerscharen.
(9)Und auch ich mache euch verächtlich und gering für das ganze Volk;
ebenso wie ihr meine Wege nicht bewahrt habt,
und das Angesicht erhoben habt bei der Gesetzeserteilung[21].
(10) Ist nicht einer Vater [22]für uns alle, hat uns nicht ein einziger Gott geschaffen[23]?
Warum wurde jeder treulos an seinen Brüdern, zu entweihen den Bund unserer Väter?
(11) Treulos wurde Jehuda, und Gräuel wurden getan in Jisrael und in Jeruschalajim;
denn das Heiligtum Jahwes hat Jehuda entweiht
und die Tochter eines fremden Gottes geheiratet[24].
(12) Jahwe beseitige jeden, der dies tut, Hüter und Partner aus Jaaqobs Zelten;
und der Opfer darbringt für Jahwe der Heerscharen.
(13) Und dies ist das Zweite, das ihr tun sollt: den Altar Jahwes mit Tränen zu bedecken,
Weinen und Stöhnen;
Weil er sich nicht mehr dem Opfer zuwendet und mit Wohlgefallen aus eurer Hand empfängt[25].
(14) Und ihr sagt: Warum?
Weil Jahwe Zeuge ist zwischen dir und der Frau deiner Jugend,
der du untreu geworden bist,
und sie war die Gefährtin und Frau deines Bundes.
(15) Und er hat nicht einen Einzelnen gemacht, und das Fleisch hat seinen Geist,
Und was sucht der Einzelne, Samen Gottes?
Und ihr sollt euren Geist bewahren, und der Frau deiner Jugend sollst du nicht untreu werden.
(16) Denn ich hasse das Trennen[26], spricht Jahwe, der Gott Jisraels,
und den, der sein Gewand mit Gewalttat bedeckt, spricht Jahwe der Heerscharen;
und ihr sollt euren Geist bewahren und nicht treulos werden.
(17) Ihr ermüdet Jahwe durch eure Worte, und ihr sagt: Wodurch ermüden wir?[27]
Indem ihr sagt: Jeder, der Böses tut ist gut in Jahwes Augen,
und an ihnen hat er Wohlgefallen,
Oder; Wo ist der Gott des Rechtes?
3. Kapitel
(1) Sieh, ich sende meinen Boten[28], und er soll den Weg zu meinem Angesicht wenden;
plötzlich wird er zu seinem Tempel kommen, der Herr, den ihr sucht,
der Bote des Bundes, der euch gefallen wird, sieh, er kommt,
spricht Jahwe der Heerscharen.
(2) Und wer erträgt den Tag seines Kommens, und wer besteht, wenn er sich zeigt?
Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers, und er wäscht wie Laugensalz.
(3)Und er sitzt als Schmelzer und Reiniger des Silbers,
und er reinigt die Söhne Levis und seiht sie wie das Gold und wie das Silber;
und sie sind es, die für Jahwe das Opfer in Gerechtigkeit darbringen.
(4) Süß ist für Jahwe das Opfer Jehudas und Jeruschalajims
wie in den Tagen der Urzeit und wie in den früheren Jahren.
(5)Und ich nahe zu euch zum Gericht,
und ich bin ein Zeuge, der eilt gegen Zauberer und Ehebrecher
und gegen diejenigen, die Trug schwören;
und gegen die Unterdrücker der Tagelöhner und Waisen und die einen Fremden beugen und mich nicht fürchten,
spricht Jahwe der Heerscharen.
(6) Denn ich bin Jahwe, ich ändere mich nicht; und ihr hört nicht auf, Jaaqobs Söhne zu sein.
(7)Seit den Tagen eurer Väter seid ihr von meinen Weisungen abgewichen und habt sie nicht bewahrt,
kehrt um zu mir, und ich kehre zu euch um, spricht Jahwe der Heerscharen;
und ihr sagt: Warum sollen wir umkehren?
(8) Betrügt ein Mensch Gott, wie ihr mich betrügt
und sagt: Womit betrügen wir dich?
Mit dem Zehnten und der Abgabe.
(9) Mit dem Fluch seid ihr verflucht, und mich betrügt ihr, das ganze Volk.
(10) Bringt den vollen Zehnten in das Schatzhaus,
und es wird Nahrung in meinem Hause sein,
und prüft mich doch damit, spricht Jahwe der Heerscharen;
wenn nicht, werde ich die Fenster des Himmels für euch öffnen
und Segen bis zum Übermaß für euch ausgießen.
[01] Anders Wilhelm Rudolph, Haggai –Sacharja – Maleachi, Kommentar zum Alten Testament, Gütersloh1976, Seite 248
[02] Einleitung in das Alte Testament, 4. Auflage, Stuttgart 2001,Seite 531
[03] Wilhelm Nowack ist jedenfalls nicht dieser Meinung (Die Kleinen Propheten, Göttinger Handkommentar zum Alten Testament II 4, 3.Auflage, Göttingen 1922, Seite104)
[04] V: Gen 23,25; Röm 9,13
[05] V: Jes 34,13
[06] E: Esau ist laut Gen 36,8 – 9 der Stammvater der Edomiter
[07] V: Ex 20,12
[08] V: Lev22,20. 23
[09] E: Gemeint ist der vom Perserkönig eingesetzte Staatskommissar (Pechat) für die Unterprovinz Jehud, z. B.Serubbabel
[10] E: D.h. freundlich sein
[11] E: Durch Opfer
[12] E: der Vorhöfe des Tempels
[13] V: 2,13; Jes 1,13
[14] V: Jes 60,1 – 7
[15] V: Lev 22,19
[16] V: Dt 28,15
[17] T: „und“ ist konjiziert
[18] Ü: Das hier stehende Wort tma (spr. „emet“) kann auch mit „Glaube“ oder mit „Wahrheit“ übersetzt werden. Letztere LXX:αληθεια
[19] V: Dt 33,10
[20] V: Hag 1,13
[21] E: „Parteilich gewesen seid“
[22] V: 1,6
[23] V: Ijob 31,15; Eph 4,6
[24] V: Esra 9,2
[25] V: 1,10
[26] V: Dt 24,1; Matth 5,31 – 32
[27] V: 3,13 – 14
[28] Ü: Das Wort kalm (spr. „Maleach“) heißt „Bote“ und „Engel“