Der Hebräerbrief ist eigentlich kein Brief, sondern eine gelehrte Abhandlung, die den Kreuzestod Jesu als Typos, als den wahren Sinn des alttestamentlichen Versöhnungstages interpretiert. Das Alte Testament enthält die Schatten (Kap.10,1) des Kommenden, des Christusgeschehens, dessen Höhepunkt der Kreuzestod Jesu ist. Er interpretiert also den Tod Jesu als das letzte Opfer und Jesus als den Hohenpriester, der sich selbst als kultisches Opfer darbringt. Er baut also auf einer judenchristlichen, von Paulus verschiedenen Deutung auf. Der Verfasser muß mit der in Alexandria gepflegten allegorischen Auslegung des Alten Testaments vertraut gewesen sein, die er im christlichen Sinne zur Typologie umgebildet hat.
Er sieht eine Verfolgung auf die Gemeinden zukommen, die aber noch nicht eingetreten ist (Kap.12,4). Das Schreiben könnte also aus den 80ger Jahren des ersten Jahrhunderts stammen. Angesichts der Bedrohung will er sie stärken, indem er die Christen vor dem Abfall warnt. Wie das Opfer Jesu Christi ein einmaliges ist (Kap.9), so kann auch die Buße nur eine einmalige sein, wobei Buße als Eintritt in die Gemeinde verstanden wird. Wer einmal abgefallen ist, kann nicht ein zweites Mal in die Gemeinde eintreten (Kap.6).
Diese Erklärung paßte schlecht zu den seit dem 3. Jahrhundert im Westen geführten Verhandlungen über den Umgang mit Christen, die in der Verfolgung abgefallen waren. Deshalb ist er im Westen erst spät als kanonisch anerkannt worden. Dann aber galt er während des Mittelalters als Paulusbrief.