Bei den Antilegomena handelt es sich also um Briefe, die sich zwar als Schreiben des Apostels Paulus geben, es aber nach allgemeiner oder weitgehender Überzeugung der Forschung nicht sind. Solche Schriftstücke, die unter einem andern Namen als dem des wirklichen Verfassers gehen, nennt man pseudonyme Schriften. Die Pseudonymität was im Altertum sehr verbreitet. Z.B. gibt es pseudonyme Platon-Briefe. Manche sind auch umstritten wie der wegen seines Inhalts hochwichtige 8. Brief Platons. Natürlich gibt es Pseudonymität nicht nur bei Briefen, sondern auch bei anderen Schriften.
Man muß sich vorstellen, daß ein Schüler oder späterer Verehrer einer bedeutenden Persönlichkeit angesichts einer wichtigen Fragestellung, die neu auftauchte, von welcher der Verehrte Verstorbene noch nichts wissen konnte, sich fragte, was der wohl dazu sagen oder schreiben würde. So schrieb man dann das nieder, von dem man annahm, das sich der Verstorbene so äußern würde und brachte es unter seinem Namen in die Öffentlichkeit. Daß jemand ein Buch oder einen Brief, die er selbst geschrieben hatte, nicht unter dem eigenen Namen veröffentlichte, sondern unter dem Namen eines verehrten Lehrers war ein Akt der Verehrung gegenüber diesem Lehrer. Der würde sich –falls er noch lebte –geschmeichelt fühlen und keineswegs einen Mißbrauch seines Namens darin sehen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß es damals noch kein Urheberrecht gab.