Das Matthäusevangelium steht dem Markusevangelium am nächsten. Der Evangelist behandelt in der Auseinandersetzung mit dem nichtchristlichen Judentum die Frage, wo das wahre Volk Gottes ist. Er sagt nicht einfach „die Kirche“. Denn eine so fest umgrenzte Größe gab es zu seiner Zeit, schätzungsweise um 85, noch gar nicht. Georg Strecker und Wolfgang Trilling haben das Wesentliche zur Erhellung der Theologie des Matthäusevangeliums geleistet.
Die Mitte ist die Bergpredigt Matth 5-7. Jesus legt Gottes Gesetz aus, nicht in mühevollen Debatten um das Für und Wider, wie die Rabbinen, sondern er proklamiert in der Vollmacht Gottes dessen Gesetz so, wie es Gott selbst ausgelegt und vor allem: ausgeführt sehen will. „ Er verkündete wie einer der Vollmacht hat, und nicht wie die Rabbinen.“(7,28). Das Volk Gottes ist da, wo diese Autorität Gottes nicht nur in Worten und Gedanken anerkannt wird, sondern wo man dieser Autorität folgt, indem man das tut, was der Träger dieser Autorität sagt. „Lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe!“ Das ist nicht irgend eine christliche Lehre, sondern die Bergpredigt. Die Passionsgeschichte will in diesem Evangelium sagen, daß Jesus selbst diese Auslegung bis zur letzten Konsequenz befolgt hat. Wo das geschieht, nicht in einer organisierten, juristisch definierten Form, ist Gottes Volk. Das Matthäusevangelium hat also einen sozusagen dynamischen Kirchenbegriff.
Wo das so geartete Volk Gottes ist, da herrscht Gott, ist Gottes Herrschaft, das „Reich Gottes“. Dieser Sprachgebrauch gilt aber nur für Matthäus. Sonst meint „Reich Gottes“ die künftige Herrlichkeit. Für diese hat Matthäus den Ausdruck „Herrschaft der Himmel“, also „Himmelreich“. Beides ist also bei Matthäus genau zu unterscheiden. Den zweiten Ausdruck gebraucht ja auch nur das Matthäusevangelium.