Einleitung
Clemens Romanus war ein römischer Presbyter, der gegen Ende des ersten Jahrhunderts gelebt hat. In der offiziellen römischen Liste wird er als vierter Papst aufgeführt. Von ihm ist ein Schreiben erhalten, der I. Clemensbrief, der anlässlich eines Streites in der Gemeinde von Korinth an diese Gemeinde gerichtet ist. Dieser Brief ist als echt anzusehen Es gibt aber eine Reihe anderer Schriften, welche Unbekannte unter dem Namen des Clemens von Rom verfasst haben, die also pseudonym sind. Da wäre der II. Clemensbrief zu nennen, vor allem aber die Pseudoclementinen, ein Doppelwerk,, bestehend aus den Homilien und den Recognitionen. dessen Vorgeschichte recht kompliziert und die bis heute nicht abschließend geklärt ist, über die in der Forschung unterschiedliche Theorien vertreten werden.
Inhaltlich durchzieht beide Werke eine Erzählung, welche sich in den Bahnen des damaligen, des antiken Romans bewegt. In dieser Erzählung ist Clemens ein junger Römer, den tiefe religiöse Fragen bewegen, für die er sich bei Philosophen vergeblich Rat holt. Er hat zwei Brüder, die Zwillinge Faustinus und Faustinianus Infolge einer Traumerscheinung verlässt seine Mutter Matthidia die Familie und die Stadt, ohne zurückzukehren. Der Vater Faustus reist ihr mit den Zwillingen nach und kommt auch nicht wieder. Da erfährt Clemens von einem Propheten, Gottessprecher, der in Palästina leben soll. Da er sich von diesem die Lösung seiner Probleme verspricht, reist er in den Osten. Dort trifft er Petrus, der ihm die Offenbarung durch Jesus Christus erklärt, den Clemens bekehrt und in tauft. Petrus ist aber in heftige Auseinandersetzungen mit dem Zauberer Simon (Apgesch 8) verwickelt, deren Zeuge Clemens wird. Im Orient aber trifft Clemens seine Mutter, seine Brüder und seinen Vater, womit der erzählerische Faden der Darstellung sein glückliches Ende findet.
Den größten Raum nehmen aber in den Homilien wie in den Recognitionen die Streit- oder Lehrgespräche ein, die Petrus mit Simon und anderen führt. Darin kommt der Lehre von den Gegensatzpaaren, den Syzigien besondere Bedeutung zu. Ein solches Gegensatzpaar bilden Petrus und Simon, ein anderes der Herrscher dieser Welt und der Herrscher der kommenden Welt, die weibliche, aufs Irdische gerichtete Prophetie und die auf Künftige gerichtete männliche Prophetie. Wichtig ist auch die Bewertung des Alten Testaments. Dort werden gefälschte Abschnitte, Perikopen, vorausgesetzt. Die alttestamentliche Prophetie wird überhaupt verworfen. Dies und noch anderes sind natürlich Lehren, welche die christlichen Gemeinden nicht hinnehmen konnten. In diesen Erörterungen gibt es ethische Partien, ebenso aber auch spekulative. Manches, wie die Lehre von den Syzigien grenz an die Gnosis, anderes hat deutliche antipaulinische Züge des gesetzestreuen Judenchristentums. Ja, die Auseinandersetzung mit Simon ist – zumindest teilweise – eine Auseinandersetzung mit Paulus. In Anlehnung an die Auseinandersetzung,die sich nach Gal 2,11 – 21 zwischen Paulus und Petrus in Antiocheia abgespielt hat, ist Petrus hier der Sprecher des gesetzestreuen Judenchristentums, der Ebioniten, der den Paulus bekämpft, für den die nichtjüdischen Christen frei vom Gesetz sind. In den spekulativen Teilen merkt man den Einfluss des Eunomios, eines Theologen, der die von der Synode von Nicaea definierte Weseneinheit von Vater und Sohn ablehnte und in der nachnicaenischen Erörterungen zwischen 325 und 380 eine Rolle spielte. Einerseits ist es schwierig, die verschiedenen theologischen Positionen in den Pseudoclementinen herauszufiltern, andererseits haben wir in den Pseudoclementinen ein Kaleidoskop der Auseinandersetzungen der ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte vor uns. Da nun die verschiedenen Lehrer und Irrlehrer das Ihrige in den Pseudoclementinen fanden und durch Glossen vertieften, ergab sich daraus eine nicht leicht zu durchschauende Quellen- und Textgeschichte des Doppelwerkes, über die bis heute keine übereinstimmende Meinung in der Forschung erreicht werden konnte.
Einig ist man sich darin, dass Homilien wie Recognitionen auf eine Grundschrift zurückgehen, die um 225 in Syrien entstanden sein dürfte. In großen Zügen lässt sich erkennen, was sie enthielt. Ihr Charakter ist der einer rational-ethischen Theologie, in welcher der „Prophet” oder Gottessprecher, auch „unser Lehrer” genannt Lehren hinterlassen hat, während sein Erlöserwirken durch Kreuz und Auferweckung keine Bedeutung haben.. Diese Einstellung erinnert sehr an diejenige der Apologeten des 2.Jahrhunderts. Diese wohl nie weit verbreitete Grundschrift geriet in die Hände eines Mannes, der sie in den Streitgesprächen um dogmatische Spekulationen erweiterte, vor allem um die Lehre von den Syzigien, den gefälschten Perikopen und die Verwerfung der alttestamentlichen Prophetie. Diese Bearbeitung ist ebenfalls orientalischer Herkunft und muss vor der Synode von Konstantinopel (380) vorgenommen worden ein. Sie ist zwar auch nicht sehr verbreitet gewesen, wurde aber von ebionitischen Theologen als hilfreich angesehen. Ob die Grundschrift bereits Ebionitisches enthielt, ist strittig. Manches darin kam dem Ebionitismus entgegen und wurde von dessen Lehrern durch Ergänzungen verstärkt. Außerdem wurden ihr der Brief des Petrus und das Zeugnis für die Empfänger beigefügt. Das Ganze sind die Homilien, eine „petrinische antipaulinische Geheimtradition” (Irmscher). Als ein seltenes Zeugnis des gesetzestreuen antipaulinischen Judenchristentums sind die so entstandenen Homilien natürlich für die Forschung eine sehr wichtige Quelle. In den Homilien sind die judenchristlichen, antipaulinischen „Verkündigungen des Petrus” (κηρυγματα Πετρου spr. ker´ygmata Pétru) enthalten. Auf jeden Fall gehören der Petrusbrief und das Zeugnis am Anfang der Homilien zu den Kerygmata Petru. Diese sind nicht zu verwechseln mit dem Kerygma Petru. Das ist eine andere Schrift.
Natürlich blieb ihr häretischer Charakter im Altertum nicht verborgen, und dies könnte der Grund dafür gewesen sein, dass in Syrien eine neue Bearbeitung der alten Grundschrift angefertigt wurde, die Recognitionen –zu deutsch „Wiedererkennungen”, was auf den Abschluss des Erzählschlusses hinweist. So rechtgläubig wie sie sein sollten, blieben die Recognitionen nicht lange, denn Anhänger des Eunomios fügten neoarianische Interpolationen ein. Anfang des 5.Jahrhunderts hat Rufinus eine lateinische Übersetzung der Recognitionen angefertigt, die vor allem in der westlichen Christenheit Verbreitung fand. Den Schluss für diese Übersetzung entnahm er den Homilien ( Zehnte Homilie, Kapitel 52 bis 65). IN dieser Übersetzung fehlen die Briefe und das Zeugnis, die Diamartyria. Das Werk ist überhaupt nur in dieser Übersetzung erhalten geblieben. Von der Recognitionen wie von den Homilien gibt es eine syrische Übersetzung.
Währen von den Recognitionen etwa hundert Handschriften vorhanden sind, kommen für die Homilien nur zwei in Frage: der nicht ganz vollständige Parisinus graecus 930 und der Vaticanus Ottobonianus 443. Eine Handschrift der syrischen Übersetzung aus dem Jahre 411, die aber nur etwa die Hälfte des Textes enthält, befindet sich im Britischen Museum (Add.12150). Darüberhinaus liegen Auszüge (Epitomeen) der Pseudoclementinen vor, die für die Klärung textkritischer Fragen manchmal von Belang sind, Denn der Text der Homilien ist in allen Handschriften gestört. Zur Rekonstruktion muss des Öfteren auf Vermutungen (Konjekturen)zurück gegriffen werden.
Ob der griechische Stil der Homilien ein besonders raffinierter oder ein unbeholfener ist, mögen Kenner der griechischen Stilistik beurteilen. Eine Vorliebe für Partizipialkonstruktionen fällt auf. Manchmal ist gerade bei diesen der Sinn mehrdeutig, sodass sich verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten auftun.
Übersetzung
Ausgangstext der Übersetzung ist: Bernhard Rehm, Johannes Irmscher, Franz Paschke, Die Pseudoklementinen I Homilien, zweite Auflage, Berlin 1969