Einleitung

Der Zusammenhang des dritten Briefes des Johannes mit der übrigen „johanneischen” Literatur ist in der Einleitung zum ersten Johannesbrief erörtert worden. Wie der zweite Brief, so ist auch der dritte ein echter Brief und keine Abhandlung oder Predigt wie der 1.Brief. Es ist vorauszusetzen, dass der 2. und der 3. Brief vom gleichen Verfasser stammen. Er nennt sich „Presbyteros”, worüber das Nähere in der Einleitung zum 2. Brief zu lesen ist. Während der 1. Brief an eine Gemeinde gerichtet ist, hat der dritte Brief eine einzelne Person zum Empfänger, einen Christen namens Gaios. Das ist kein griechischer, sondern ein lateinischer Name: Cajus. Der war ein Anhänger, vielleicht Mitarbeiter des Presbyteros. Welche Funktion er hatte, ist nicht ersichtlich. Er hat jedenfalls den Wandermissionaren beigestanden, welche der Presbyteros ausgesandt hatte. Dass er mit einem Träger des gleichen Namens in Apg 19.29; 20,4 Röm 16,23 I.Kor 1,14 identisch ist, erscheint fraglich. Anscheinend gehörte Demetrios zu den Wandermissionaren. Der Brief offenbart auch einen schroffen Gegensatz, der zwischen dem Presbyteros und einem gewissen Diotrephes, dem Leiter einer auswärtigen Gemeinde, wenn nicht gar einer übergemeindlichen Autorität, bestand. Diotrephes verweigerte den vom Presbyteros ausgesandten Wandermissionaren die Aufnahme, d.h. die Kirchengemeinschaft mit dem Presbyteros und seinen Anhängern überhaupt. Es kann sein, dass das nur der persönliche Gegensatz zwischen zwei miteinander konkurrierenden geistlichen Autoritäten ist. Es kann auch mehr dahinter stecken, nämlich ein Gegensatz in der Lehre, wovon dieser Brief allerdings nichts merken läßt. Es kann sein, dass Diotrephes ein gnostischer Gemeindeleiter ist, der den die Gnosis bekämpfenden Anhängern des Presbyteros die Gemeinschaft verweigert. Auch die entgegengesetzte Möglichkeit ist erwogen worden, dass nämlich Diotrephes ein Gegner der Gnosis gewesen ist, dem der Presbyteros mit seiner an die Gnosis streifenden Theologie so verdächtig erschienen ist, dass er mit ihm und seinen Leuten nichts zu tun haben wollte. Diese Erklärung hat allerdings in der Fachwelt keinen großen Beifall gefunden. Im Allgemeinen orientiert man sich entweder daran, dass Diotrephes ein Gnostiker war, der deswegen mit dem anti- oder wenigstens ungnostischen Presbyteros keine Gemeinschaft haben wollte , oder man sieht von allen Gegensätzen in der Lehre ab und erblickt rein persönliche Gründe in dem Widerspruch zwischen dem Presbyteros und Diotrephes.

Übersetzung

Ausgangstext der Übersetzung ist Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, 27. Auflage, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart

(1) Der Presbyteros an den geliebten Gaios, den ich in Wahrheit liebe. (2) Vor allem bete ich, dass es dir gut geht und du gesund bist, wie auch deine Seele gesund sei. (3) Ich freue mich sehr, dass die Brüder gekommen sind und für dich in Wahrheit Zeugnis abgelegt haben. wie du dich in der Wahrheit bewegst. (4) Ich habe keine größere Freude als dass ich höre, dass sich meine Kinder in der Wahrheit bewegen. (5) Geliebter, du handelst zuverlässig in dem, was für die Brüder tust und ebenso für die Fremden, (6) die vor der Gemeinde deine Liebe bezeugt haben, die du gut ausgestattet und Gott gemäß wohlgetan hast; (7) Denn für den Namen sind sie losgezogen und haben von den Heiden nichts angenommen. (8) Denn wir müssen sie aufnehmen, damit wir Mitarbeiter für die Wahrheit sind. (9) Ich habe der Gemeinde etwas geschrieben; doch Diotrephes, welcher der Erste von ihnen sein will, nimmt uns nicht auf. (10) Deswegen, wenn ich komme, dann werde ich ihn an seine Taten erinnern, wie er uns mit üblen Reden verlästert hat und mich damit nicht begnügen, sondern dass er die Brüder nicht aufnimmt und diejenigen, die es wollen, hindert und aus der Gemeinde hinausweist. (11) Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute. Denn Gutes zu tun, ist von Gott; wer Böses tut, hat Gott nicht geschaut. (12) Für Demetrios ist von vielen und von der Wahrheit Zeugnis abgelegt worden; auch wir legen Zeugnis ab, und du weißt, dass unser Zeugnis wahr ist. (13) Vieles habe ich dir zu schreiben, aber ich will dir nicht mit Tinte und Rohr schreiben; (14) Vielmehr hoffe ich, dich bald zu sehen, und wir werden von Mund zu Mund reden. (15) Friede für dich. Die Freunde grüßen dich. Grüß die Freunde mit Namen.

Ernst Käsemann, Ketzer und Zeuge, Zeitschrift für Theologie und Kirche 48 (1951) Seite 292-311, abgedruckt in E.K., Exegetische versuche und Besinnungen I, Göttingen 1967 Seite 168 – 187
V: I.Petr 5,1 II. Joh 1
V: II.Joh 4
Ü: Das hier stehende Wort ξενοσ kann auch mit „Gastfreund” wiedergegeben werden.
V: Tit 3,13
E: nämlich für die Reise
E: Gemeint ist der Name von Jesus
V: Apg 20,34 I.Thess 2,9
E: Im Sinne von „verpflichtet sein”
V: Matth 10,41
V: I.Kor 3,9 II.Kor 1,24; 6,1 I.Thess 3,2
V: Matth 20,27
V: Joh 9,34
V: I.Joh 3,10
V: I.Joh 3,6
V: Joh 19,35; 21,34
V: II.Joh 12
V: Nu 12,8 II.Joh 12