Das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte bilden ein Doppelwerk, in dem eine ähnliche Frage beantwortet werden soll. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts gab es alle möglichen Gruppen und Gemeinschaften, die sich christlich nannten und so verstanden. Wo aber ist Kirche, war die Frage, die in den Lukasschriften beantwortet wird, nicht in dem dynamischen Sinne, wie im Matthäusevangelium, sondern historisch, allerdings mit einer historischen Fiktion. Hinsichtlich der lukanischen Theologie folge ich der Analyse, die Hans Conzelmann bereits 1954 vorgelegt hat und die bisher noch nicht durch etwas Besseres ersetzt werden konnte.

Für den Verfasser des lukanischen Doppelwerkes ist diejenige Gemeinde eine legitime Christengemeinde, die entweder von einem Apostel oder einem Beauftragten der Apostel gegründet wurde oder als Tochtergemeinde einer solchen legitimen Gemeine gegründet worden ist oder – wenn von einem nichtapostolischen Freimissionar gegründet –nachträglich von einer legitimen Gemeinde legitimiert wurde.

Das stellt Abgeschichte 8,4-17 so dar, daß der Freimissionar Philippus in Samarien taufend eine Gemeinde gründet. Die Taufe ist gültig, aber nicht wirksam. Die so Getauften empfangen nicht den heiligen Geist. Den empfangen sie erst, als die Apostel aus Jerusalem kommen und ihnen die Hand auflegen. Wer ein Apostel ist, wird Apgesch 10,40f. definiert: die Jünger des irdischen Jesus, die ihn nach seiner Auferweckung gesehen, mit ihm gegessen und getrunken sowie von ihm den Predigtauftrag erhalten haben. Das trifft für Paulus nicht zu. Im Sinne des Lukas ist er kein Apostel.

Die Apostel sind als Zeugen Jesu deshalb wichtig, weil der irdische Jesus mit seiner Person das Modell der künftigen Herrschaft Gottes vorgestellt hat: er ist vom Satan nicht angreifbar – für eine gewisse Zeit. Nach der Versuchung durch den Satan weicht dieser von ihm. Das schreibt auch Matth 4,11, aber Lukas fügt 4,13 hinzu: „Für eine Zeit.“ Diese satanslose Zeit endet mit dem Beginn der Passion 22,3. Im Sinne der satanslosen Zeit, während der Jesus modellhaft das Reich Gottes darstellt, ist Luk 17,21 zu verstehen: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Jesus, der das Reich Gottes darstellt steht in der Mitte seiner Gesprächsteilnehmer, und so sollen sie erkennen, wer er ist. Dieser Satz bezieht sich also nur auf ihn und nur für diese Zeitspanne. Eine Verallgemeinerung mit Bezug auf unsere Gegenwart beruht auf Unkenntnis der lukanischen Theologie.

Parallel mit der satanslosen Zeit ist Jesus der ausschließliche Träger des heiligen Geistes. Er empfängt ihn vor der Versuchung bei der Taufe (Luk 3,21f.) und gibt ihn am Kreuz Luk 23,46, dem Vater zurück, der ihn Apgesch 2 den Jüngern sendet, damit diese durch ihn predigend Gemeinden gründen.

Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Vorstellung des Lukas vom Anfang der Christengemeinden fiktiv ist und weder mit unseren heutigen historischen Erkenntnissen noch mit dem, was Paulus schreibt, in Einklang zu bringen ist. Die gelegentlich noch heutzutage unternommenen Versuche, Lukas zu einem Schüler und Reisebegleiter des Paulus zu machen, scheitern einfach an den zahlreichen Widersprüchen zwischen der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen, speziell Gal 1-2.